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CTH 258.1

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Citatio: (ed.), hethiter.net/: CTH 258.1 (TRde 04.11.2011)

1 -- Folgendermaßen (spricht) der Tabarna Tuthaliya, der Großkönig:
2 -- Nachdem ich Aššuwa vernichtet hatte
3 -- und nach Hattuša zurückkehrte,
4 -- um die Götter (-Feste) zu feiern,
5 -- schickte sich die gesamte Bevölkerung von Hatti an, [mi]r zu huldigen
6 -- und so sprach sie:
7 -- „Majestät, unser Herr, Du bist wohl ein Kriegsmann,
8 -- in der Rechtsprechung jedoch warst Du nicht imstande (deine) richterliche Funktion[auszuüb]en.
9 -- Nun siehe! Böse Menschen [ … ] haben ganz zugrunde gerichtet.
10 -- Die [ … ], die Ubadi-Angehörigen1, und die šarikuwa-Leute2 [ ...]
11 -- [ … ] war.
3
17 -- dann wird er (sc. das Opfer oder seine Partei) nicht überlassen (d.h. das als Buße gegebene Gut zurückgeben).
18 -- Ihm (sc. dem Schuldigen bzw. seiner Partei) gibt er als Ersatz dafür ein ebensolches Feld zurück.
19 -- Wenn jemand (sc. der zur Partei des Schuldigen gehört) auch Blutbuße (der Partei des Opfers) geleistet hat
20 -- und sich damit seinen Kopf (d.h. den des Schuldigen) freigekauft hat4
21 -- - sei es (durch) ein Feld oder (durch) Arbeitskraft -,
22 -- dann wird niemand (sc. der zur Partei des Opfers gehört) überlassen (d.h. die als Buße gegebenen Güter zurückgeben).
23 -- Falls er aber (sc. das Opfer oder seine Partei) sie (d.h. die Güter, mit denen die Blutbuße geleistet worden ist) zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern (sc. des Schuldigen) weiter behält,
24 -- dann wird er sie (Frau und Kinder) ihm (dem Schuldigen) überlassen.
25 -- Wenn für einen Diebstahl jemand (sc. von der Partei des Schuldigen) die Buße geleistet hat
26 -- - wenn es sich um ein Feld handelt -,
27 -- wird man nicht überlassen (d.h. das als Buße gegebenes Feld zurückgeben).
28 -- Falls aber ein Sklave den Diebstahl begangen hat,
29 -- und er (sc. das Opfer bzw. seine Partei) ihn (sc. den Sklaven), (weil er ihn) am Tatort (ertappt hat), (fest)hält:
30 -- wenn er (sc. der Sklave) geblendet worden ist,
31 -- dann wird man ihn (sc. den Sklaven) ihm (sc. seiner Partei, in diesem Fall also seinem Besitzer) nicht überlassen.
32 -- Wenn er aber nicht geblendet worden ist,
33 -- dann wird man ihn (sc. den Sklaven) ihm (sc. seinem Besitzer) überlassen.
34 -- Wenn aber ein Freier den Diebstahl begeht
35 -- und die Buße für den Diebstahl geleistet hat,
36 -- dann wird man ihn (d.h. den Täter) nicht blenden,
37 -- [man wird ihn ihm (sc. der Partei des Schuldigen) üb]erlassen.
5
38 -- [ ␣␣␣␣␣␣␣] oder stirbt,
39 -- [ ␣␣␣␣␣␣␣␣gek]auft? hat,
40 -- [ ␣␣␣␣␣␣␣]gibt keine Buße.
41 -- ...
42 -- ...
43 -- ...
6
44 -- darüber hinauf die[ … ], die (sie, sc. die auf dem Territorium verteilten staatlichen Produktionszentren) jeweils verwalt[en,]
45 -- [we]nn (einer von ihnen) einen Speicher des Königs öffnet,
46 -- oder [ … ] einen (beauftragten) Vorgesetzten hinschickt,
47 -- möge er ihn öffnen.
48 -- Der L[ÚAGRI]G?7 aber, die Torwächter (oder) irgendein Landmann darf nicht aus eigener Initiative den königlichen Speicher öffnen.
49 -- Wer ihn aber (ohne Befugnis) öffnet,
50 -- den sollt ihr, Leute der Stadt,8 ergreifen
51 -- und zum Tor des Königs bringen.
52 -- Wenn ihr aber (ihn) nicht herbringt,
53 -- dann werden die Leute der Stadt (das ohne Befugnis aus dem) Spei[cher] (Weggenommene) ersetzen.
54 -- Bei jenem, der (ohne Befugnis) ihn geöffnet hat,
55 -- werdet ihr euch Genugtuung verschaffen.9
56 -- Wer angesichts (der Verletzung) dieser königlichen Vorschriften schweigen wird
57 -- und darüber hinaus - sei er (sc. derjenige, der die Sache nicht anzeigt) sein (d.h desjenigen der die Vorschriften verletzt hat) gleichrangiger Kollege - (die Sache) verheimlicht,
58 -- und dieser (sc. derjenige, der die Vorschriften verletzt hat) ihm (sc. demjenigen, der die Sache verheimlicht hat) Schweigegeld gibt,
59 -- - sei er (sc. derjenige, der die Sache nicht anzeigt) ein Mitarbeiter des Verwalters (sc. der die Vorschriften verletzt hat) - und er ihn (sc. denjenigen, der die Vorschriften verletzt hat) nicht (dem königlichen Gericht) überlässt,
6010 -- so dass das vorgesehene gerichtliche Verfahren bez. der (Rechts)sache verhindert wird,
61 -- jedoch später die Sache aufgedeckt wird,
62 -- dann wird man beide für verantwortlich halten.11
63 -- Darüber hinaus, wenn jemand das gerichtliche Verfahren wieder aufnehmen wird,
64 -- wird man die gesamte (Rechts)sache in angemessener Weise richtigstellen/bereinigen.
65 -- ...
66 -- ...
67 -- ...
68 -- ...
69 -- [ ␣␣… a]us eurem eigenem Willen
70 -- [ ␣␣… wenn/und?] der EN GIŠTUKUL12 seinem Willen entsprechend nimmt,
71 [ ␣␣… ] man blendet,
72 -- und ihn [… ]
73 -- [ … ] was auch immer er an sich genommen hat,
74 -- alles wird er wiederum geben.
75 -- [ ␣␣␣␣␣␣␣␣] vollendet.
76 -- Handschrift des Aliḫḫini, des Sohnes des AN.ŠUR.LÚ, des Enkels des GIŠ.KIRI6.NU, des Gehilfes des Zuwa , des Herrn der Handwerker.
1
Über die sozio-ökonomische Bedeutung dieser Kategorie von Produzenten s. zuletzt Marazzi M. 2010b.
2
Zur Verbindung dieser Militärkategorie mit der landwirtschaftlichen Produktion s. Beal R.H. 1992a, S. 51.
3
Zur Bedeutung der in diesen 3 Paragraphen festgelegten Vorschriften und zur Funktion der hier angewendeten Formel para tarna- s. Marazzi M. - Gzella H. 2003a. Die hier vorgeschlagene Interpretation und Übersetzung richten sich nach den dort vorgeführten Argumentationen.
4
D.h. „sich von der Todestrafe freikaufen“, SAG.DU- (ÚŠ-tar) …; s. Marazzi M. - Gzella H. 2003a, S. 74ff.
5
Der Paragraph ist für mögliche Ergänzungen zu lückenhaft; die Lesung aki „er stirbt“ in Z. 5' und die wahrscheinliche Ergänzung wa]šta in Z. 6' des Dupl. B lassen jedoch vermuten, dass es auch hier um eine Blutbuße wie Anfang § 2' ging.
6
Obwohl der Anfang des Paragraphen lückenhaft ist, und sich die spezifische in Z. A3' (= B 1') angesprochene Beamtenkategorie nicht genau bestimmen lässt, ist die Thematik der enthaltenen Vorschriften gegen unbefugtes Öffnen der Staatsspeicher klar abzugrenzen. Sie scheint ein wiederkehrendes Motiv in den althethitischen Rechts- und Instruktionstexten zu sein, wie §§ 34ff. des Telipinu-Edikts, und § 4' der sog. Pimpira-Lehre (insbes. KUB XXXI 115 13'ff., zu dessen Textanordnung s. Marazzi M. 2001a und Cammarosano M. 2006a) klar bezeugen.
7
Wenn tatsächlich die in Schuler E. von 1959b vorgeschlagene Ergänzung L[ÚAGRI]G angenommen wird, würde die hier klar abgegrenzte Befugnis dieses Funktionärs gut zum Bild passen, das Singer I. 1984a in Bezug auf seine Rolle in spät-/nachalthethitischer Zeit dargestellt hat.
8
Zu den MEŠ URU-LIM in diesem Kontext vgl. zuletzt Marazzi M. 2008a, S. 69ff.
9
Wörtlich „ihr werdet ihn ansehen“; zur juristischen Bedeutung von šakuwaye- als „jemanden als verantwortlich in Betracht ziehen“ bzw. „sich an Drittem schadlos halten“ und seine Beziehung zu aA. dagālu bzw. šeʾāu s. Marazzi M. 2010b.
Wörtlich fassen wir den Satz syntaktisch und semantisch folgendermaßen auf: „so dass es (n=e=za=šan) hinter der Sache (uddanī appan) angemessen/in angemessener Weise (takšan) nicht fertig wird (natta appiyazi).
Zu šakuwaye- s. schon Anm. 8.
Zum EN GIŠTUKUL als (staatlicher) Arbeiter, der für seinen (ursprünglich im militärischen Bereich) geleisteten Dienst eine Landparzelle bekommen hat, s. Beal R.H. 1988b.

Editio ultima: Traductionis 04.11.2011