Institut für Altertumswissenschaften, Lehrstuhl für Altorientalistik, Residenzplatz 2, Tor A, D-97070 Würzburg

Mit Förderung der

DFG

wurde vom 01.05.2001 bis zum 31.07.2007 unter der Leitung von Gernot Wilhelm ein Projekt am Lehrstuhl für Altorientalistik der Julius-Maximilians-Universität Würzburg durchgeführt, das zum Aufbau des Hethitologie Portals Mainz führte:

„Informationsinfrastruktur für digitale Publikation keilschriftlicher Staatsverträge der Hethiter und für darauf bezogene netzbasierte Forschungskooperation“

DFG-Aktenzeichen: GZ 554 95 Würzburg -- BIB46 WUuv 01-02

Der gesamte Mittelaufwand der DFG betrug 465.586 Euro.

Der Hauptmitarbeiter für die gesamte Laufzeit des Projekts war Gerfrid G.W. Müller, zeitweilige Mitarbeiter waren Andrea Intilia und Yazuhiko Sakuma.

Als wissenschaftliche oder studentische Hilfskräfte arbeiteten für unterschiedliche Zeiträume mit: Dr. Tomoko Emmerling, Agnes Schütte, Wiebke Wagner, Melanie Wittmann, Lea Eichfelder, Julia Remenyi, Michelle A. Weinreich, Antonia Schmitt, Charles W. Steitler, Görkem Cihan, Nathalie Skotnik.

Im Folgenden werden die wichtigsten Abschnitte des Abschlussberichts von 2009 wiedergegeben, soweit sie zu dem Portal führten, wie es derzeit (2015) zur Verfügung steht.

Projektdarstellung

Wie im Erstantrag vom 05.11.2000 ausgeführt, sollte das Arbeitsvorhaben ein Pilotprojekt für die digitale Publikation von Keilschrifttexten sein.

Dabei sollten die Anforderungen an eine Edition keilschriftlich überlieferter Texte berücksichtigt werden. Die Präsentation von Quellentexten aus altorientalischen Keilschriftsprachen bietet bekanntlich besondere Probleme, die sich in dieser Form in den meisten Philologien nicht stellen. Sie ergeben sich aus der Besonderheit des Schriftträgers (Tontafel), der Schriftart (Keilschrift), dem fragmentarischen Zustand der Überlieferung, dem steten Quellenzuwachs und dem raschen Forschungsfortschritt in Grammatik und Lexikon. Im Rahmen eines Pilotprojekts sollten Werkzeuge entwickelt werden, die es ermöglichen, von Texten, Wörtern und Bibliographien Textdarstellungen variabler Anordnung, Glossare und Konkordanzen herzustellen und unter Einschluss von Autographien und/oder Photos über das Internet verfügbar zu machen.

Zu den Zielen gehört die Einsparung von Ressourcen (Druckkosten, Arbeitszeit), die Beschleunigung des Informationsaustausches und die Förderung der Internationalität; bei letzterer sollte insbesondere auch ein "Entwicklungshilfe-Effekt" erzielt werden, der es erlaubt, Wissenschaftlern in Ländern, die aus wirtschaftlichen Gründen keine brauchbaren Forschungsbibliotheken auf dem Gebiet der Altorientalistik unterhalten, den Zugang zu Editionen, die jeweils den neuesten Stand repräsentieren, online zu ermöglichen.

Das Projekt sollte sich zunächst auf die Erarbeitung der tools, die Herstellung organisatorischer Bedingungen und die Exemplifizierung anhand eines bereits im Rahmen eines früheren DFG-Projekts des Antragstellers philologisch aufgearbeiteten und digital erfassten Textcorpus beschränken (Corpus der Staatsverträge der Hethiter).

.Außerdem sollte untersucht werden, wie weit mit den seinerzeit oder in den darauffolgenden Jahren verfügbaren Mitteln eine dreidimensionale Darstellung von originalen Tontafeln bei wechselndem Lichteinfall möglich ist.

Die über die DFG-geförderte Aufbauphase hinausgehende langfristige Nutzung, Pflege und Erweiterung sollte im Rahmen der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, erfolgen, in der der Projektleiter seit November 2000 Mitglied ist und wo er seit Anfang 2001 das Langzeitprojekt "Hethitische Forschungen" leitet. Diese "Arbeitsstelle" betreut die Herausgabe der Textfunde aus der hethitischen Hauptstadt Hattusa, die seit vielen Jahrzehnten von deutschen Archäologen ausgegraben wird. Im Rahmen der Anfang der 70er Jahre entstandenen "Arbeitsstelle" ist mit traditionellen Mitteln (Zettelkarteien, Photosammlung) das weltweit beste Forschungszentrum für Hethitologie entstanden. Der DFG-Antrag sollte auch als Pilotprojekt zur Erarbeitung von Strategien dienen, die dort in Jahrzehnten enstandenen wissenschaftlichen Ressourcen weltweit verfügbar zu machen.

Daher wurde als Hauptziel des Projektes die exemplarische Entwicklung einer Online-Datenbank definiert, die folgendes enthält:

  • die Texte in Umschrift
  • Übersetzungen (über Hypertextmarkierungen verbunden)
  • Kommentare (über Hypertextmarkierungen verbunden)
  • Konkordanzen
  • Bibliographien
  • Wiedergaben der Originale als Photo / Kopie / 3D-Objekt
  • die Möglichkeit für registrierte Nutzer, selbst Texte beizutragen

Geleistete Arbeitsschritte

Das Projekt ist in mancher Hinsicht – vor allem durch die Begründung von Kooperationen (s.u.) – weit über den ursprünglichen Rahmen hinaus gediehen. Die ursprünglichen Anforderungen an die Infrastruktur konnten im Wesentlichen erfüllt werden:

Fonts

Bei Projektbeginn bereitete schon die Netzpräsentation von Transliterationen altorientalischer Texte Schwierigkeiten, denn sie erfordert eine Reihe von Sonderzeichen. Diese waren zwar im Unicode-Standard (ISO/IEC 10464) bereits definiert, gehören aber zu einem beträchtlichen Teil zum Bereich Latin Extended Additional (U+1E00 bis U+1EFF), der zunächst kaum als Font realisiert war. Wir rechneten damals damit, dass auf geraume Zeit allein der Umfang eines Unicode-Zeichensatzes auf vielen Rechnern an Universitäten Probleme bereiten würde. Wider Erwarten hat sich dieses Problem mittlerweile fast völlig gelöst, ebenso wie ein weiteres Problem, nämlich die unterschiedlichen Darstellungs-/ Ansteuerungsweisen von Unicodefonts in den am weitesten verbreiteten Browsern. Dies ist zweifellos ein positiver Nebeneffekt der Globalisierung, die den Abschied vom sehr rudimentären, amerikanischen ASCII-Standard hin zu einem wirklichen Weltstandard schon aus reinen Kostengründen beschleunigte. Lediglich der Internet Explorer von Microsoft ist ohne Angabe eines konkreten Fonts bisher (31.12.2008) nicht in der Lage, exotischere Schriftzeichen in irgendeiner Weise darzustellen.

Zwar sind mittlerweile alle Programme unicodefähig, dennoch tauchten bei Suchfunktionen, namentlich bei komplexen Datenstrukturen in regulären Ausdrücken, Probleme auf. Diese sind mittlerweile in den Dokumentationen von PHP und MSQL bestätigt und sollen dort in den nächsten Versionen (PHP 6) behoben werden. Einstweilen versuchen wir diese abzufangen; der Einsatz von Perl-kompatiblen Suchausdrücken scheint besser zu funktionieren als der von POSIX-kompatiblen. Durch die Implementierung des relationalen Teils der Textdatenbank wird endlich die Suche nach parallelen und ähnlichen Textstellen möglich.

Innerhalb des Faches Hethitologie und erfreulicherweise darüber hinaus wurde mittlerweile weitgehend von den alten "selbstgestrickten" Fonts Abstand genommen und es werden Unicode-kompatible Fonts, insbesondere auch die von uns erstellten und über die Website des Projekts kostenlos herunterladbaren Fonts SemiramisUnicode, verwendet.

Datenbank und XML

Bei der Textaufbereitung zeigt sich, wie sich die Vorstellungen von der Durchführung des Projektes in seinem Fortgang gewandelt haben. Ursprünglich sollten die Texte mittels SGML (Standard Generalized Markup Language) strukturiert werden, wobei wir uns an dem Oxforder Projekt zur sumerischen Literatur (ETCSL) orientieren wollten. Aus den SGML-Dokumenten sollten dann HTML-Files generiert werden, um sie ins Internet zu stellen. Statt SGML hatte sich zu Beginn des Projekts bereits die einfachere und flexiblere XML (Extensible Markup Language) durchgesetzt, und die HTML-Dateien werden dynamisch mittels Programmskripten aus den XML-Daten erzeugt.

Als Datenbankprogramm war von Anfang an die relationale Datenbank MySQL auf einem Linux-Server vorgesehen. Dieses von uns wegen seiner Schnelligkeit zunächst favorisierte Datenbanksystem MySQL konnte Daten zwar ein- und auslesen, aber die Verarbeitung von Unicodezeichen (Suche, Sortierung) war nicht möglich, da Unicode in MySQL noch nicht implementiert war. Wir mussten daher zunächst auf PostgreSQL arbeiten, das aber nur auf selbst implementierten Servern lief. Mittlerweile konnte nach MySQL und – als wichtigste Konsequenz – auf einen hochverfügbaren Webserver des Rechenzentrums migriert werden. Eine weitere Voraussetzung für die Migration war die Ersetzung der Skriptsprache PHP3 durch eine modernere, unicodefähige Version wie PHP4 (mittlerweile sind wir bei Version 5).

All das waren aufwändige, zeitraubende Prozesse, die zahlreiche Anpassungen erforderten, zumeist aber auch für eine Verbesserung des online-Angebotes genutzt werden konnten.

Fast schon vergessen sind die umfangreichen Arbeiten zur Entwicklung eines eigenen Transformationsprogramms und eines Editors, um Daten aus diversen älteren Textverarbeitungsprogrammen in die von uns entwickelte XML-Form zu bringen und darin zu bearbeiten. Als der Editor nach fast zwei Jahren einigermaßen zuverlässig mit den verschiedenen Anforderungen zurecht kam, zeichnete sich bereits ab, dass er ein Auslaufmodell sein würde, da damals OpenOffice mit seinem offenen XML-Format in einer vollumfänglichen Textverarbeitungssuite auf den Plan trat und damit ein viel flexibleres System zur Verfügung stellte, als es der im "Einmannbetrieb" entwickelte Editor jemals hätte sein können.

Als das Format von Openoffice (Staroffice) schließlich zu einem ISO-Standard wurde und zahlreiche ältere Formate umwandeln konnte, war klar, dass nun Software zur Extraktion und Transformation von Daten aus dem OpenDocumentFormat erstellt werden musste. Damit mussten die vorhandenen Textdokumente ein weiteres Mal transformiert werden.

Viel Arbeit erweist sich im Rückblick damit als umsonst, was sich aber auf Grund des Entwicklungsstandes der neuen Technologien nicht vermeiden ließ. Der Umstieg auf Openoffice und das Open Document Format haben sich aber bereits als richtig und effizient erwiesen, da etliche Datenbanken aus Manuskripten hervorgehen, die vom jeweiligen Bearbeiter in langer Arbeit in Form einer Textdatei zusammengetragen wurden und die nun mit wenigen zusätzlichen Markierungen automatisch in eine Datenbank überführt werden können (z.B. der CTH-Katalog, die Bibliographie zur Lexikographie des Hethitischen, die Sammlung von Sekundärliteratur zu Textstellen von D. Groddek, s.u.), wobei der Bearbeiter seine gewohnte Arbeitsumgebung und -weise kaum ändern muss: Er schickt jeweils die neueste Version seiner Arbeitsdatei, die per Programmskript für die online-Veröffentlichung aufbereitet wird.

Wann und ob es zu einem Umstieg von Relationalen Datenbanken zu genuinen XML-Datenbanken kommen wird, ist noch offen. Zumindest zu vertretbaren Kosten standen diese in der entscheidenden Projektphase nicht zur Verfügung. Ein Umstieg wäre möglich (da die Daten alle prinzipiell als XML bereitstehen), wegen der damit erforderlichen Anpassungen aber nur bei erkennbaren Vorteilen zu erwägen; im Fokus der Arbeit muss zuvörderst der Ausbau der Inhalte sein; das mittels relationaler Datenbank entwickelte System funktioniert und ist im Rahmen des XML-Schemas des Open Document Formats auch sehr flexibel handhabbar.

Publikationen

Die grundlegende Strategie war und ist, alle Daten im XML-Format aufzubereiten und sie je nach Verwendungszweck zu transformieren, sei es in HTML für die Internetseite oder PDF für den Druck bzw. die kompakte Veröffentlichung in Broschürenform.

Eine für die Nutzer ausdruckbare Fassung von Daten der Textedition (Einleitung, Transkription, Übersetzung, gegebenfalls Kommentar), der Konkordanz und der Glossare in der Art einer herkömmlichen Buchedition, die bei erheblichen Fortschritten weitere "Auflagen" erfahren kann, ist aus den Materialen direkt möglich, da die Daten alle in einem offenen XML-Format verfügbar sind und elektronisch miteinander verknüpft werden können.

Ursprünglich war daran gedacht, alle Daten mit dem selbst programmierten Editor zu bearbeiten (die kommerziellen waren für eine erträgliche Bearbeitung der Texte nicht geeignet, da sich Determinative, Wort und Komplemente in verschiedenen Zeilen und Absätzen wiedergefunden hätten). In der Praxis erwies sich die Weiterverarbeitung dann als vielschichtiger:

Für die „Konkordanz der hethitischen Texte“ von Silvin Košak wurden nicht die XML-Dokumente, die aus dem ursprünglich von Mitarbeitern des Kompetenzzentrums Trier entwickelten Datenbankprogramm exportiert werden, sondern wegen der komplizierten Datenstruktur spezielle Abfragen, die aus der online-Datenbank gewonnen wurden, als (XML)-Vorlage benutzt. Für den Indexband zu der Druckfassung der Konkordanz (HPM-M Bd. 5) waren ohnehin gesonderte Abfragen zu programmieren. Für die unterschiedliche Auswertung derselben Daten erwies sich die relationale Datenbank als effizienter als die Ausgangsdaten. Die Daten liegen in fünf Bänden der 2005 begründeten Reihe „Hethitologie Portal Mainz – Materialien“ (HPM-M) vor. Diese neue Reihe legt "Momentaufnahmen" der im Internet online verfügbaren, sich stetig weiterentwickelnden Projekte vor.

Wie bereits dargestellt, hat sich auf dem Weg zu einer automatisierten Edition der hethitischen Quellen durch Verwendung von StarOffice / OpenOffice für die Bearbeitung der XML-Dokumente eine weitere Vereinfachung ergeben: Wie auch bei anderen Textverarbeitungsprogrammen besteht die Möglichkeit, mehrere Dokumente in ein Hauptdokument einzubinden. Die Gestalt der Publikation lässt sich also relativ unkompliziert über dieses master document steuern. Überarbeitungen einzelner Texte werden automatisch in die aktualisierte Version übernommen. Auf der Publikationsebene treten die Dokumente nicht unbedingt besonders als XML-Dokumente in Erscheinung, sondern eher in altgewohnter Weise als Officedokumente.

Bei dem bereits erschienenen, von F. Fuscagni erarbeiteten Band HPM-M 6 über unveröffentlichte Fragmente mit der Signatur Bo, die in der Sekundärliteratur zitiert sind, wie auch bei dem in Vorbereitung befindlichen Katalog hethitischer Siegel (M. Marazzi et al., HPM-M 7) werden die verborgenen, internen XML-Strukturen für die Indexierung sowie im letzteren Fall sogar für den Aufbau des Grundbestandes einer neuem Datenbank verwendet.

Texte, Übersetzungen

Jeder in mehreren Exemplaren bezeugte Text des Corpus ist sowohl zeilensynoptisch als auch im Textzusammenhang des master text und der einzelnen Exemplare einsehbar. Eine Übersetzung ist parallel zu der jeweils herangezogenen Textstelle einsehbar. Die Übersetzungssprache ist zunächst abhängig von der jeweiligen Sprache des Bearbeiters (Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch). Die Texte und ihre Übersetzung können jederzeit korrigiert und ergänzt werden, wobei das Glossar (halb)automatisch ebenfalls korrigiert und ergänzt wird.

Nach Einrichtung der Konkordanz, der Bibliographie, der Photothek, die auch zwecks Förderung der internationalen Kooperation vorrangig behandelt wurden, und der Fertigstellung des Editors wurde an der Implementierung der Textdatenbank gearbeitet. Sämtliche Staatsverträge wurden aus den alten Formaten konvertiert, ein erheblicher Teil davon wurde bereits mit Hilfe des Editors bearbeitet, nachdem auch eine erste philologische Überprüfung und Aktualisierung (die vorliegenden Transkriptionen und Übersetzungen wurden 1990-1994 erstellt) erfolgt war. Einige Staatsverträge sind bereits ins Netz gestellt worden. Zahleiche Texte anderer Gattungen sind von unseren Koperationspartnern erarbeitet und teilweise ebenfalls ins Netz gestellt worden.

Konkordanzen

1985 begann S. Košak im Rahmen des Mainzer Akademieprojekts "Hethitische Forschungen" mit dem außerordentlich arbeitsaufwändigen Projekt einer auf 15 Bände veranschlagten Konkordanz der Keilschrifttexte der Hethiter. Sie sollte alle Tafeln und Fragmente mit Texten der Hethiter (unabhängig von der Sprache) nach Inventarnummern aufführen und Textzusammenschlüsse, Editionen, Datierungen nach Duktus und Zeichenformen, Gattungs- und Inhaltsbestimmungen nach E. Laroche, Catalogue des textes hittites (CTH), Fundortangaben nach Edition oder Grabungsdokumentation sowie Behandlungen in neuerer Forschungsliteratur angeben. Bis 2000 erschienen vier Bände im Druck. Es zeigte sich bald, dass die Konkordanz steter Verbesserung und Ergänzung bedurfte. Der zuerst erschienene nur acht Jahre alte Band war im Jahr 2000 schon stark ergänzungsbedürftig. Auch war die gedruckte Form für die schnelle Ausschöpfung des Erkenntnispotentials der Konkordanz unzulänglich. Da die Daten in eine vom Trierer Kompetenzzentrum konfigurierte Datenbank eingegeben worden waren, wurde im Rahmen des DFG-Projekts von G. Müller eine Ausgabemaske programmiert, die multiple Recherchemöglichkeiten bietet.

Die Konkordanz hat sich mittlerweile für die Hethitologen zum Kernstück des Portals entwickelt, von dem aus zahlreiche andere Angebote angesteuert werden, die zunehmend durch neue Arten von arbeitserleichternden Links verknüpft sind. In Zusammenarbeit mit den Nutzern konnte die Suchmaske ständig optimiert und erweitert werden, wobei auch den Chicagoer Kollegen für zahlreiche Vorschläge zu danken ist. Derzeit sind keine Desiderata offen.

Da es sich als praktisch erwiesen hat, die Materialien, die im "Portal" bereitgestellt werden, von Zeit zu Zeit in gedruckter Form zu fixieren, soweit sich dies an­bietet, wurde 2005 eine neue Reihe "Hethitologie Portal Mainz – Materialien" (HPMM) begründet, in der bisher die Konkordanz sowie eine Zusammenstellung von Zitaten aus unveröffentlichten Bo-Texten in der Forschungsliteratur erschienen sind. Zusätzlich werden die betreffenden Werke auch als PDF angeboten.

Seit der Publikation der Konkordanz als PDF bzw. als Monographie (Version 1.0) wurden bereits mehrere Updates in etwa halbjährlichem Rhythmus vorgenommen, die weiterhin stark von den Rückmeldungen der die Konkordanz nutzenden Kollegen in aller Welt profitieren (derzeit Version 1.4).

Bibliographie

Für das Projekt war ursprünglich nur eine Bibliographie zu den Staatsverträgen vorgesehen. Bei der Vorstellung unseres Projekts im Kollegenkreis wurde aber stets die Meinung geäußert, dass eine umfassende Referenzbibliographie nützlicher wäre, um auch die Bedürfnisse der anderen Projekte im Rahmen der netzbasierten Forschungskooperation abzudecken. Durch das Angebot der Mitarbeit einer Arbeitsgruppe in Neapel unter Leitung von Massimiliano Marazzi sowie von Jana Siegelová, Prag, konnten wir dieses Projekt umsetzen. Von seiten des DFG-Projekts trug Andrea Intilia die Hauptlast. Die Arbeiten an der Bibliographie sind (abgesehen von notwendig werdenden Korrekturen und Ergänzungen) abgeschlossen, die Literaturdatenbank wurde Ende August 2004 ins Netz gestellt (Basisformat XML, importiert in eine relationale Datenbank). Sie erlaubt eine Suche nach zahlreichen verschiedenen Kriterien. Die Aufnahme der Literatur seit 2000 erfolgt in Neapel.

Photothek

Schon kurz nach Projektbeginn wurde begonnen, die Photosammlung der Akademie-Arbeitsstelle "Hethitische Forschungen" einzuscannen. Die Arbeitsstelle verfügt über ca. 25.000 Photos, wobei zahlreiche Photos aber bis zu 20 Fragmente zeigen, die alle gesondert abgespeichert werden müssen. Bei Abschluss dieses Projektschritts werden deshalb über 50.000 Photos zur Verfügung stehen, zumal bei jedem der jährlichen Forschungsaufenthalte in Ankara digitale Photos, z.B. von neu gejointen oder bisher nicht photographierten Fragmenten, angefertigt werden. Rückmeldungen aus dem Nutzerkreis erleichtern auch hier die Perfektionierung. Dazu gehören Hinweise auf gedrehte Photos wie auf falsche Zuordnungen. Manche Einträge auf den Photos selbst konnten korrigiert werden. Bisher sind etwa 25.000 Photographien online verfügbar, d.h. sie sind mit der Konkordanz verknüpft und über das Internet konsultierbar, über zehntausend weitere haben die erste Bearbeitung durchlaufen und können für das Internet aufbereitet werden. Alle übrigen sind zumindest gescannt. Das Einscannen im Mainzer Archiv ist inzwischen zum Abschluss gebracht worden, die zeitaufwändige Bildbearbeitung wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Bilder werden nicht, wie ursprünglich einmal angedacht, als sog. BLOBs in relationale Datenbanken importiert, sondern lediglich über Referenzen in der Datenbank verwaltet, denn die BLOBs haben bei anderen Projekten zu Engpässen durch Lizenzbeschränkungen oder zu Performanzproblemen geführt. Prinzipiell werden Bilder als TIFF gespeichert und Ausschnitte daraus auf Anfrage über das Internet direkt in JPEG ausgeliefert.

Soweit Photos verfügbar sind, sind diese von der Transkription (des Einzelexemplars) ausgehend einsehbar. Hier war ursprünglich geplant, eine Konkordanz zwischen Textstellen und ausgewählten Photos beizugeben, die automatisch mit den Textstellen verknüpft wird. Allerdings hat sich gezeigt, dass dies sehr zeitaufwendig ist und von den mittlerweile recht zahlreichen Kooperationspartnern kaum geleistet werden kann. Statt dessen wird nun automatisch Rekurs auf die Konkordanz der hethitischen Texte genommen: Bei Aufruf eines Exemplars wird automatisch ein Link erstellt, der sowohl verfügbare Photos als auch eventuell vorhandene Joinskizzen anzeigt (letzteres feature ist vor kurzem für ca. die Hälfte der Texte aus den Ausgrabungen von 1931bis heute freigeschaltet).

Digitale 3D-Darstellungen von Keilschrifttafeln

Die Möglichkeiten der Herstellung von dreidimensionalen Scanbildern von Tontafeln, die in einer virtuellen Lichtquelle gedreht werden können, wurden exemplarisch untersucht. In zahlreichen Testmessungen wurden die verfügbaren Messgeräte evaluiert. Von den vielversprechenden Ergebnisse der dreidimensionalen Messungen mit COMET-Sensoren der Firma Steinbichler Optotechnik meinten wir zu Beginn des Projektes noch sagen zu dürfen, dass deren Genauigkeit sogar teilweise über das Erforderliche hinausginge. Hier haben uns die Messversuche belehrt, dass die Genauigkeit und die Auflösung bei der Aufnahme kaum zu hoch sein können. Man führe sich vor Augen, dass sich (schematisch) der Querschnitt eines Keileindruckes durch drei Punkte beschreiben lässt, der einer Badewanne durch vier. Was man zu sehen bekommt, entscheidet der Punktabstand der Messung; trifft man nicht die Sohle des Keileindrucks, sondern die Seitenwände, erhält man eine Badewanne. Die Kunst besteht also in der geschickten Reduktion redundanter Daten, die die Form eindeutig wiedergeben.

Sehr aufschlussreich waren die Messungen u.a. von Textilspuren auf Tontafeln: Der Abstand zwischen den Furchen (Textilfäden) beträgt zwischen 0,52 und 0,65 mm, die Tiefe 0,019 bis 0,039 mm.

Durch diese Messungen erhielten wir erstmals einen quantifizierbaren Eindruck der filigranen Strukturen auf einer Tontafel. Da insbesondere bei den großen Tafeln der hethitischen Staatsverträge eine starke Reduktion der Datenmenge erforderlich ist, ergaben sich hieraus Vorgaben für die Glättung der Oberfläche. Denn das Messrauschen und die natürliche Rauheit des Tons sind zumindest philologisch ohne Bedeutung. Wir testeten eine Reihe von Glättungsverfahren. Dazu diente uns, wie zuvor berichtet, Software der Firma Steinbichler in Zusammenarbeit mit Padelt 3D Systeme (Strausberg) sowie eine von Claus-Peter Alberts, damals Universität Dortmund, erstellte Software. Die Beobachtungen gemahnten zu äußerster Vorsicht bei allen Glättungsverfahren.

Als beste Sicherheit hat sich eine große Datenredundanz erwiesen, die auch kleine Merkmale einer Oberfläche zuverlässig mit vielen Messpunkten beschreibt, welche man leicht glätten kann (gegen das Messrauschen). Die wirkliche Reduktion erfolgt dann, wie früher beschrieben, über den Sehnenfehler, wonach nur Dreiecke stehen bleiben, die etwas über die Oberfläche aussagen.

Geräte der Firmen Steinbichler (Neubeuern) und Breuckmann (Meersburg) erfüllten die Vorgaben, soweit wir eruieren konnten, als einzige. Mit Unterstützung der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz ergab sich die Gelegenheit, einen solchen Scanner anzuschaffen. Daher konzentrierten sich die weiteren Untersuchungen auf die Einsatzfähigkeit unter Bedingungen, wir man sie im Orient und in Museen findet. Ein starkes Kriterium war die Mobilität, worin sich das System von Breuckmann schließlich überlegen zeigte. Breuckmann ermöglichte ferner in einer Sonderanpassung eine laterale Auflösung von bis zu 16µm, die bei besonders filigranen Objekten eingesetzt werden kann, um die beschriebene Redundanz zu erhalten. Auf keinen Fall darf der Unterschied zwischen Tafeloberflächen und beschädigter Fläche eliminiert werden, da dann die Methode an Wert verlöre.

Bei schwierigen Objekten (in einem Fall der Kunststoffnachguss einer Tontafel) zeigte sich besonders ein anderer Aspekt der Redundanz. Durch reflektierende, lichtdurchlässige oder sehr schräge Oberflächen können Messpunkte unbrauchbar werden. Treten sie in größerer Zahl auf, werden sie durch ein Loch in der Rekonstruktion markiert, relativ kleine Fehler werden aber bei der Flächenrekonstruktion übergangen. Dadurch könnte ein kleiner Keileindruck verschwinden und zu einer Fehllesung führen. Vor allem würde die Methode dadurch für Textkollationen ungeeignet. Den Testfall meisterte die Software von Breuckmann besser als die von Steinbichler. Dennoch dürfen die Geräte als gleichwertig für unsere Zwecke gelten.

Wir haben mit der systematischen Aufnahme uns zur Verfügung stehender Fragmente begonnen. Als nächstes sollen Fragmente in den Museen in Istanbul und Ankara aufgenommen werden, von denen bekannt ist, dass sie aneinander anschließen. Damit sollen weitere Untersuchungen vorgenommen werden hinsichtlich automatischer Ausrichtung von Fragmenten.

Weitere Teilprojekte

Catalogue des textes hittites

Es ist in der Hethitologie seit langem üblich, Texte nach ihrer Nummer im Catalogue des textes hittites von E. Laroche zu zitieren. Eigentlich darf das Nummerierungssystem als überholt gelten, wird aber immer noch ständig als Referenz verwendet, so dass es nur schwer ohne Verwirrungen zu ersetzen ist. Da lange Bemühungen und Diskussionen zu keinen überzeugenden Alternativsystemen führten, haben wir uns entschlossen, das alte System als Referenz weiter zu entwickeln und auszudifferenzieren, und von der Idee, ein neues Referenzsystem einzuführen, Abstand genommen. Die Ausdifferenzierung manifestiert sich zunächst in den neuesten Textbearbeitungen und wird dann in die Konkordanz übernommen. Für den thematischen Überblick sorgt das Teilprojekt CTH, dessen Einträge zu CTH-Nrn. auch von anderen Teilprojekten wie der Konkordanz aufgerufen werden können.

Joinskizzen zu den hethitischen Texten

Zusammen mit seiner Arbeit an der hethitischen Konkordanz hatte S. Kosak begonnen, Skizzen der rekonstruierten Tontafeln zu machen, um die Orientierung unter den Fragmenten zu erleichtern. Diese Arbeit, die früher noch aus mehreren Arbeitsgängen (roh skizzieren, zeichnen, tuschen) bestand, konnte nun mit neuer Methode und unter Einsatz von Hilfskräften beschleunigt werden. Die Rohskizzen oder gescannten Fragmente von Texten werden im Zeichenprogramm von OpenOffice eingelesen und auf einer anderen Ebene als Vektorgraphik realisiert. Der Vorteil liegt in der leichteren Modifizierbarkeit und automatischen Indizierung, da die Dateien wieder in XML bzw. SVG abgelegt sind, und daher von (einmal zu erstellenden Programmen) auf Inventarnummern und Bildnummern abgesucht werden können. Bisher sind die Skizzen nur über die Konkordanz zu erreichen, in Kürze aber auch über die Textbearbeitungen und über eine eigene Webseite.

Kooperationsprojekte

Über das Anfangskonzept hinaus sind zahlreiche Projekte entstanden, die bereits verlinkt sind oder verlinkt werden.

Ein wesentlicher konzeptioneller Grundsatz des Projektes ist die dezentrale Organisation (bei Anwendung einheitlicher Normen in der Textgestaltung) und die Gewährleistung der vollen Verfügungsgewalt externer Kooperationspartner über ihre eigenen Daten bei gleichzeitiger Sicherung des Ist-Zustandes eines Projektes für die Zukunft.

Während die meisten unsere Kooperationspartner uns ihre Daten zur Betreuung und Publikation, z.T. auch zur Aufbereitung, übergeben haben, ziehen es einige andere aus unterschiedlichen Gründen vor, die Grunddaten (XML) selbst verwalten und jederzeit verändern zu können, z.B. zwecks geschlossener Repräsentation einer Institution oder eines fachübergreifenden Projektes auf einem eigenen Webserver. Diese Dezentralisierung ist auch durchaus gewünscht, um den Administrationsaufwand zu minimieren.

Fazit

Es ist gelungen, ein Internetportal mit aktiven, interagierenden Angeboten zu schaffen, die nunmehr völlig unverzichtbare Forschungshilfsmittel anbieten, die internationale Bereitschaft zu Kooperation und Kontribution in nie da gewesener Weise angeregt hat und für weitere Textgruppen angewandt werden wird.

Die Zugriffshäufigkeit/Nutzungsintensität ist verschiedentlich gemessen worden. Dem Arbeitsbericht zum 30.11.2004 ist eine Statistik für die Monate 2003/03 bis 2004/02 (ohne 2003/09) beigegeben, die für 11 Monate die folgenden Zahlen ausweist:

Hits

Files

Cached

Pageviews

Session

KB sent

Total

251.840

186.089

53.221

66.994

20.844

2.915.163

Average

20.986

15.507

4.435

5.582

1.737

242.931

Da wir die inzwischen stark vermehrten Dateien nicht nur auf Servern in Würzburg, sondern auch auf solchen in Mainz abgelegt haben, ist die derzeitige Situation etwas weniger übersichtlich.

Im Monat März 2009, genauer vom 01.-29.03.2009, besuchten 3.745 Personen bei 6.142 Besuchen die Seiten der Würzburger Server; dabei wurden 479.528 Seiten von insgesamt 1,45 GB betrachtet, die Zugriffszahl betrug 511.850. Die Nutzung des Portals hat also seit 2003/04 außerordentlich stark zugenommen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Photos der Texte auf einem Server im Rechenzentrum Mainz liegen; hierfür haben wir keine Nutzungsstatistik.

Die Länder, aus denen Zugriffe erfolgen, sind - soweit identifizierbar - die Hauptstandorte für hethitologische Forschung und Lehre (insbesondere Deutschland, Italien, Türkei, USA, Belgien, Polen). Dies bestätigt die oft gehörte Einschätzung, dass das Portal ein unverzichtbares Element für hethitologische Forschung und Lehre geworden ist.

Das folgende Zitat aus der Rezension des niederländischen Hethitologen J. de Roos (der nicht zu den Kooperationspartnern des Projekts gehört) zeigt am besten, dass die DFG-Förderung eine grundlegende Verbesserung der Forschungssituation im Fach Hethitologie bewirkt hat:

"Some years ago on the internet the so-called Hethitologie Portal Mainz was introduced ..., which made available for everyone old and new information about published and unpublished Hittite texts and fragments. The project of digitalization of photographs of tablets from Boğazköy-Ḫattuša is extremely attractive and useful. Other projects are added regularly and studying Hittite is unthinkable without the Portal." (Bibliotheca Orientalis 64 [2007] 187)