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Citatio: F. Fuscagni (ed.), hethiter.net/: CTH 434.4 (INTR 2015-02-26)
Ein Fragment mit einer mythologischen Erzählung (CTH 434.4) Textzeugnisse
Inhaltsübersicht Die Tafel besteht aus vier Fragmenten, die alle aus dem Gebäude A auf Büyükkale stammen. Von der ursprünglichen Tafel haben sich nur weniger als die rechte Hälfte der Vs. I und der Rs. III und ein relativ großer Teil der Vs. II, die auch den Anfang enthält, erhalten. Rs. IV ist vollständig verloren. Es gibt mehrere Hinweise dafür, dass es sich um eine jh. Niederschrift eines mh. Originals handelt. Nach seiner Publikation in Autographie (1971) von H. Otten wurde dieser Text als Beschwörungsritual identifiziert. E. Laroche 1972 nahm KBo 20.82 im ersten Ergänzungsheft zu CTH unter der Nummer 434 auf, und zwar als Ritualfragment für die Schicksalsgöttinnen. Dass dieser Text bisher noch nicht bearbeitet wurde, darf wohl auf seinen schlechten Erhaltungszustand zurückzuführen sein. Eine eingehendere Untersuchung des Textes brachte folgende Charakteristika mythologischer Texte zutage: das Vorkommen direkter Rede, welche fast durchgängig durch die enklitische Partikel -wa gekennzeichnet ist; der Ausdruck memiškiuwan daiš „er/sie begann mit jemandem zu sprechen“ in Vs. I 9' als typische Einleitungsformel der direkten Rede in mythologischen Texten; die direkte Rede wird meistens von den Göttern gesprochen, die anscheinend auch Protagonisten der mythologischen Erzählung sind: die Gulš-Göttin, der Gott Karwašu und der Sonnengott; das seltene Verb EGIR-pa tezzi in Vs. II 16 ist nur noch in zwei Mythen (KUB 17.10+ Rs. III 3 (CTH 324.1.A) und KUB 33.60 Rs. 9' (CTH 336.5.A)) und im mythologischen Teil des Palastbaurituals KUB 29.1 Vs. II 1 und 6 (CTH 414.1.A) in einem Gespräch zwischen dem (vergöttlichten) Thron und dem Adler belegt1; die Verbalform menaḫḫanda auš- (+ Akk.) findet sich in der ersten Tafel des Liedes von Ullikummi belegt: KUB 33.96++ Rs. IV 43' (CTH 345.I.1.A)2; für den Ausdruck a(r)impan dāi „eine Last legen“ ist auf zwei mythologische Texte zu verweisen: KUB 33.114++ Rs. IV 17' (CTH 343.1)3 und KUB 33.120++ Vs. I 30-31 (CTH 344 )4; die Ausdrücke in den kola 60 und 62 erinnern an das mythologische Fragment KUB 34.53 Rs. 5'-9' (CTH 370.I.7). Auch in diesem Text werden einige Forderungen (an die Götter?) gestellt (Rs. 5'-8'; ausgedrückt durch das Verb wēk-), die niemand anfechten soll (Rs. 9' lē kuiški ḫullizzi). Andere Textsequenzen5, lassen indes vermuten, dass es sich um ein Ritual mit einer langen (sich bis zur Mitte der Rs. III erstreckenden) mythologischen Erzählung handelt, wofür es in der hethitischen Literatur mehrfach Beispiele gibt6. Der Inhalt der mythologischen Erzählung erschließt sich im Wesentlichen aus Vs. II7. In den ersten fragmentarischen Zeilen wird „die alte Gulš-Göttin“ (karuili DGulšaš in Vs. II 3) erwähnt; sie ist eventuell das Subjekt des Verbs ganiešta „sie erkannte“, das von Vs. II 4' bis Vs. II 7' (kola 32-36) belegt ist. Vs. II 8' (kolon 37) enthält wahrscheinlich eine Segensformel für das Königspaar und die Königssöhne. Die direkte Rede geht weiter und aus den kola 45ff. geht hervor, dass sie sich zwischen einer Person, die vielleicht mit der Königin zu identifizieren ist8, und dem Sonnengott entsponnen hat. Eine Gottheit sagt, dass sie das Königspaar aufgerichtet habe (k. 43; kunkuškinun) und bittet den Sonnengott, zu ihr zu eilen (k. 45; nuntarriya), was der Sonnengott mit dem Hinweis, dass sie sich an das Königspaar und die Königssöhne wenden solle, erwidert. Danach bricht die direkte Rede ab und es folgen Analogien, die den Wunsch zum Ausdruck bringen, dass die Nachkommenschaft des Königspaars so stark wie ein Rind sei und ihre Jahre so zahlreich (im Text warḫuiš „dicht, zottig“) wie das Vlies eines Schafes sein mögen. Das Land, i.e. die Bevölkerung, soll ebenso zahlreich sein9. Dann kommt die Gulš-Göttin, die „gute/gütige“ (attributiv verwendet: aššuš), herbei, und fordert vom Gott Karwašu das Leben für den König und die Königin. Er bringt es zum Königspaar. In seiner Antwort an die Gulš-Göttin spricht er von einer „alten Gulš-Göttin“, die die Götter zu ihm gebracht hätten, und einer „ušammi- Gulš-Göttin“10, die zu ihm gekommen sei. Ferner habe diese ušammi- Gulš-Göttin eine Last auf seine Seele gelegt. Mit dem nächsten Paragraphen fängt eine neue direkte Rede an, die von der Königin gesprochen wird11. Sie gibt an, den Sonnen- und Wettergott durch Gaben – Dickbrot mit Käse bzw. einen zottigen Widder – erfreuen zu wollen. Danach kommt die Antwort des Sonnengottes; er nimmt die Gaben für sich und den Wettergott an und bittet die Königin, die ušammi- Gulš-Göttin irgendwohin zu bringen12. Dann bricht der Text ab. Eine Genrebestimmung dieses Textes bleibt schwierig. Die Segensformeln in den kola 37, 54-58, 60 sowie die große Bedeutung der Königin und die Anwesenheit des Gottes Kurwašu (s. unten) lassen vermuten, dass es sich um ein Ritual für die Genesung und das Wohlbefinden der königlichen Familie handelt Der Gott Kurwašu Bei Kurwašu handelt es sich um eine selten belegte Gottheit, deren sehr wichtige Rolle im vorliegenden Text einige Bemerkungen rechtfertigt13. Außerhalb von KBo 20.82 bezeugen nur noch vier weitere Texte den Namen Kurwašu: – in der Götterliste eines Rituals für die uralten Götter ist er zwei Mal nach DDarawiyaš aufgelistet (CTH 492.1.A und CTH 492.1.B)14. Dieser Text scheint seinen Zusammenhang mit der Gulš-Göttin zu bestätigen, weil die Darawa-Götter oft mit den Schicksalsgöttinen belegt sind; – in einem Traum der Königin (KUB 15.1 Rs. III 7', 8'). Hier ist der Kontext besonders interessant, weil Kurwašu der Königin verspricht, dass der König leben und er ihm 100 Lebensjahre geben wird (Rs. III 11'); ebenso wie in KBo 20.82 bringt Kurwašu Leben für die Königsfamilie. – in dem Tafelkatalog KBo 31.5++ Vs. II 15 (CTH 277.6.A) mit Dupl. KBo 31.26 als zweites Ritual einer Sammeltafel mit drei Ritualen: „Wenn die Magierin Kurwašu anruft“ (ma-a-an MUNUSŠU.GI DKur-wa-š[u-un mu-ga-iz-z(i)]) KBo 20.82 und den oben genannten Belegen zufolge ist Kurwašu ein Gott oder Genius, der das Leben der königlichen Familie schützt. Unter diesem Gesichtspunkt ist seine Verbindung mit den Schicksalgöttinnen besonders deutlich, weil sie diejenigen sind, die das Schicksal und das Leben der Menschen bestimmen. Ferner sollte in Anbetracht dessen, dass für Kurwašu auch ein Ritual durchgeführt wird (vgl. den Katalogeintrag), seine Stellung im hethitischen Pantheon nicht sekundär sein. © Universität Mainz – Altorientalische Philologie/Institut für Altertumswissenschaften |
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