Die fünfte Tafel des (Reinigungs)rituals des Ilī-ma-abī und der Arzakiti für eine erzürnte Gottheit (CTH 456.7.2)
Textzeugnisse
Literatur
Klengel H. 1985b, 169-171; Beckman G.M. 1999c, 30; Miller J.L. 2002a, 425-426; Miller J.L. 2004a, 380 mit Anm. 582; Dardano P. 2006a, 69-70.
Editionsgeschichte und Inhaltsübersicht
Das Fragment Bo 2634 wurde von H. Klengel 1986 als KUB 56.55 publiziert und als Reinigungsritual bezeichnet (vgl. Inhaltsübersicht, S. 6).
Der Kolophon identifiziert KUB 56.55 als fünfte Tafel eines von Ilī-ma-abī, Priester der Göttin der Nacht1, und von Arzakiti, der katra-Frau, durchgeführten (Reinigungs)rituals.
Die dritte Tafel der Serie ist in dem Fragment KBo 12.116 (CTH 456.7.1) erhalten, das leider nur den Kolophon enthält (vgl. die entsprechende Einleitung).
Dank des Tafelkatalogs KUB 8.71 Vs. 10'-15' (CTH 276.9) ist bekannt, dass die Serie insgesamt acht Tafeln umfasste.
Von KUB 56.55 ist außer dem Kolophon nur ein Teil der Vs. I erhalten, in dem überwiegend die Auflistung der verschiedenen Ritualzurüstungen enthalten ist. Trotzdem zeigt, wie bereits bei Miller J.L. 2002a, 425 mit Anm. 3 bemerkt, KUB 56.66 einige Ähnlichkeiten mit Ritualen der Göttin der Nacht (CTH 481 und CTH 482)2:
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Ritualführer beider Rituale ist ein Priester der Göttin der Nacht;
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das Anbieten und die Durchführung von hurritischen Opferritualen (keldi- und dupšahi-) findet im Magazin (ÉABUSSI) statt (vgl. KUB 56.55 Vs. I 15-17 bzw. KUB 29.4 Vs. II 22-24 = CTH 481).
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die Göttin Pirinkir ist sowohl in KUB 56.55 Vs. I 16-17 als auch in KUB 29.4 Vs. II 55-56 und Rs. III 3-4 (CTH 481) mit dem Ritual des Wohlbefindens (keldi-) verbunden.
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das Vorkommen des ḫutḫutalla-Brotes, das außer in KUB 56.55 Vs. I 23, 30 und KUB 29.4 Vs. II 60 nur noch in KUB 44.52, 7' (CTH 500), einem Ritualfragment parallel zu CTH 4813, eine Rolle spielt.
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der Gebrauch einer ähnlichen Ritualzurüstung: mulati-Gebäcke, bunte tarpali- und kišri-Stoffe, die selben Gefäßsorten (NAMMANTU, ḫanešša-, GÌR.GÁN, usw.).
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die katra-Frauen sind zweimal auch in CTH 481 belegt (KUB 29.4 Vs. I 53 und Rs. III 10) und in beiden Fällen handeln sie zusammen mit dem LÚSANGA.
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Weitere Parallelen sind auch mit zwei Fragmenten des sogenannten babilili-Rituals (CTH 718) zu bemerken4:
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Vs. I 18 ff. ist parallel zu KUB 39.86 Rs. IV 1' ff.;
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Vs. I 27 vgl. KUB 39.88, 7'-8';
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Zu bemerken ist auch das Vorkommen des Gesindes (SAG.GÉME.ARADMEŠ) sowohl in KUB 39.86 Rs. III 6', Rs. IV 2' als auch in KUB 39.88 Rs. IV 2, 14. Man sollte berücksichtigen, dass das Gesinde selten als actor in Ritualen belegt ist, d.h. als direkte Teilnehmer an den Ritualhandlungen.
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Daher scheint es relativ sicher, dass eine Verbindung von KUB 56.55 mit mindestens einem Teil des babilili-Rituals besteht5. Ferner ist es wichtig, dass Pirinkir, der eine wichtige Rolle in KUB 56.55 spielt (s. Vs. I 16-17 und Rs. IV 10'-13'), auch die Hauptgottheit des babilili-Rituals ist.
Ein weiteres Fragment des Rituals von Ilī-ma-abī und Arzakiti könnte in dem Fragment KBo 23.93 + KBo 30.102 (CTH 495.II) vorliegen. Die Tafel enthält noch Teile der Vs. I und den letzten Paragraph der Rs. IV mit dem Kolophon. Nach diesem Kolophon, von dem nur die ersten Zeichen von insgesamt acht Zeilen erhalten sind6, ist KBo 23.92 die nicht vollständige zweite Tafel einer Komposition, deren Name sich in der Lücke befindet. Wenn auch die Zeilenverteilung leicht variiert, scheint der Kolophon von KBo 23.93 mit dem von KUB 56.55 und KBo 12.116 überein zu stimmen. Sollte KBo 23.93 tatsächlich eine Tafel dieses Rituals sein, könnte die folgende Rekonstruktion des Kolophons in Erwägung gezogen werden:
Rs. IV 12'
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DUB 2KAM ⌈Ú⌉-U[L QA-TI A-WA-AT mI-li-ma-a-bi LÚSANGA]
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Rs. IV 13'
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ŠA ⌈DINGIR⌉7[.GE6 (URU …) ]
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Rs. IV 14'
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⌈Ù⌉ [fAr-za-ki-ti MUNUSkat-ra-aš]
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Rs. IV 15'
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m[a-a-an … ]
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Rs. IV 16'
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[ … ]
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Rs. IV 17'
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ku-i[š-ki peran ienza našma=šši=kan Ú-NU-UT-ma
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Rs. IV 18'
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ku-i[t-ki ḫarkann=an SAG.GÉME.ARADMEŠ
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Rs. IV 19'
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m[a-aḫ-ḫa-an EGIR-pa mugāizzi
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Außer dem Kolophon sind einige weitere Parallelen zu KUB 56.55 zu bemerken:
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Das Gesinde (SAG.GÉME.ARADMEŠ) spielt auch in KBo 23.93 (vgl. Vs. I 3, 7; Rs. IV 9') eine Rolle. Trotz des fragmentarischen Kontexts hebt das Vorkommen von SAG.GÉME.ARADMEŠ bzw. ma-a-na-at in Vs. I 7-8 einen Parallelismus mit KUB 56.55 Vs. I 12-13 hervor.
In KBo 23.93 + KBo 30.102 Rs. IV 9' wird das Gesinde als „Gesinde der Gottheit“ bezeichnet8. Dem Kolophon von KUB 56.55 und KBo 12.116 zufolge hat das Gesinde die Aufgabe, die Gottheit zurückzurufen (vgl. KUB 55.59 Rs. IV 8'-9' und KBo 12.116 Rs. 7'-8'), was eine bestimmte Verbindung zwischen ihnen festlegt. Daher scheint es gut möglich, dass in KBo 23.93 + KBo 30.102 Rs. IV 9' die selbe Kategorie von Gesinde vorkommt;
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Das kappi-Gefäß ist ebenfalls zweimal in KBo 23.93 Vs. I 9 und 27 belegt;
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Der allgemeine Kontext von KBo 23.93 Vs. I 5-13 ist ohne Zweifel vergleichbar mit dem von KUB 56.55 Vs. I 9-24 (außer Vs. I 15-17).
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Ferner offenbaren auch weitere Elemente eine Parallelität nicht nur mit KUB 56.55, sondern auch mit CTH 481:
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Aus Rs. IV 10'-11' – der letzten Zeile vor dem Kolophon – erfährt man, dass das dupšaḫi- Ritual im Magazin (É A-BU-US-SI) stattfand9. Auch in CTH 481 wird dieses Ritual im Magazin durchgeführt10. Bemerkenswert ist, dass dieses Ritual nur in KBo 23.93+ und in CTH 481-482 belegt ist11.
Das Magazin wird auch in KBo 23.93 Vs. I 28 erwähnt12. Leider ist der Kontext sehr fragmentarisch;
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die (relativ) seltenen Steine girenni- und kunna- (vgl. KBo 23.93 Vs. I 11, 23, 31) sind auch in KUB 29.4 Vs. I 71 (CTH 481) belegt. In beiden Texten kommen sie nebeneinander vor.
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Ritualführer von KBo 23.93 ist ein Priester (vgl. Vs. I 20, 35).
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Dass KBo 23.93 als zweite Tafel zum Ritual von Ilī-ma-abī und Arzakiti gehören könnte, muss als Vorschlag gelten.
© Universität Mainz – Altorientalische Philologie/Institut für Altertumswissenschaften