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Kurzbeschreibung |
CTH 752.1 enthält ein Ritual für das palaische Pantheon, zu dessen Beginn die mythologische Erzählung eines verschwundenen Gottes, vermutlich des Wettergottes, auf Palaisch rezitiert wird. Ziel des Rituals dürfte die Garantie von ausreichend Niederschlag durch die palaischen Götter gewesen sein, um die landwirtschaftliche Lebensgrundlage zu sichern (vgl. Görke S. 2020c: 297; Hutter M. 2021a: 107).
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Texte |
Exemplar A | A₁ | KUB 32.117 | 71/a | Bk. A |
| + A₂ | + KUB 32.16 | + 76/b | Bk. A |
| + A₃ | + KUB 35.93 | + 537/b | Bk. A |
| | | + 671/b | Bk. A |
| + A₄ | + KBo 39.174 | + 588/b | Bk. A |
| + A₅ | + KBo 19.156 | + 1550/c | Bk. A |
| + A₆ | + KBo 8.74 | + 19/m | Bk. A |
| (+) A₇ | (+) KBo 17.25 | (+) 446/c | Bk. A |
| | | (+) 88/h | Bk. A * |
| + A₈ | + KUB 35.168 | + 701/c | Bk. A |
Exemplar B | B₂ | KBo 25.139 | 631/c | Bk. A |
| + B₁ | + KBo 30.39 | + 1475/c | Bk. A |
| + B₃ | + KUB 35.164 | + 120/f | Bk. A |
| + B₄ | + KUB 32.18 | + 107/b | Bk. A |
| + B₅ | + KBo 39.215 | + 574/b | Bk. A |
Exemplar C | | KBo 19.159 | 409/z | T.I | |
Literaturauszug aus der Konkordanz |
- D. Groddek, DBH 11, 2004: 273
- O. Carruba, StBoT 10, 1970: 37 (Nr. 12)
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Editionsgeschichte |
Bereits Laroche E. 1973g: 440-442 jointe von Text A die Fragmente KBo 8.74 + KUB 32.117 + KUB 35.93 + KBo 19.156. KBo 39.174 wurde von Košak S. 1992a: 19 hinzugefügt. Groddek D. 1998d: 240f. schlug indirekte Joins mit KUB 32.16 und eventuell auch mit KUB 35.168 und KBo 17.25 vor, die an vorliegender Stelle ebenfalls angenommen werden. Teilumschriften finden sich bei Carruba O. 1970c: 9,11, 30; Neu E. 1980E: 220-223; Starke F. 1985a: 39-41.
Die Joins der Fragmente von Text B KBo 25.139 und KUB 35.164 stammen von Otten H. - Rüster C. 1979a: v, mit KBo 30.39 von Otten H. - Rüster C. 1984a: iv und mit KUB 32.18 von Groddek D. 1998d: 239. Der Join mit KBo 39.215 stammt von D. Sasseville und konnte 2023 im Museum Ankara bestätigt werden.
Teilumschriften finden sich bei Carruba O. 1970c: 8-12, 31f.; Neu E. 1980e: 225-227; Groddek D. 2002a:47f.
Eine erste Textaufstellung unternahm Groddek D. 1998d: 240.
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Tafeleigenschaften |
Bei den Textvertretern A (KUB 32.117+) und B (KBo 25.139+) handelt es sich jeweils um zweikolumnige Tafeln, die nicht vollständig überliefert sind. Von Textvertreter A hat sich vermutlich ca. ein Drittel der Tafel erhalten, wobei weite Teile der Vs. I und Rs. IV fehlen. Auch von Textvertreter B ist vermutlich mehr als ein Drittel der Tafel überliefert, wobei die fehlenden Abschnitte vor allem die oberen Abschnitte von Vs. I und II sowie die unteren Abschnitte von Rs. III und IV betreffen. Durch Überschneidungen der beiden Haupttextvertreter lässt sich schließen, dass sowohl die Vs. II als auch Rs. III des Gesamttextes bis auf wenige Zeilen vollständig erhalten sein dürften, während von der Vs. I und Rs. IV zu Beginn und am Ende jeweils ca. 8-10 Zeilen fehlen dürften.
Textvertreter C (KBo 19.159) besitzt nur wenige Zeilenanfänge, die keine Aussagen zur ursprünglichen Größe der Tafel erlauben.
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Paläographie und Handschrift |
Textvertreter A (KUB 32.117+) weist die für den althethitischen Duktus typischen breiten, nach rechts geneigten Köpfe der senkrechten Keile auf. Die charakteristischen Zeichen TA und GA in der Form, dass die Köpfe der eingeschriebenen Senkrechten über den oberen Waagerechten ragen, finden sich z.B. für TA in Kolon 16, 22, 31, 34, 45, 96, 98, 106, oder GA in Kolon 27, 32. Auch die für den althethitischen Duktus typischen Ligaturen A+NA (Kolon 101) und kat+ta (z.B. Kolon 45, 47) sind vorhanden.
Textvertreter B (KBo 25.139+) lässt die für den althethitischen Duktus typischen breiten, nach rechts geneigten Köpfe der senkrechten Keile erkennen, ebenso wie eine enge Zeichensetzung, in der jedoch Worttrennungen deutlich zu erkennen sind. Daneben findet sich die althethitische Form des TA, bei der die Köpfe der eingeschriebenen Senkrechten über den oberen Waagerechten hinausragen, manchmal auch nur knapp (z.B. in den Kola 5, 6, 7, 9, 16, 53, 69, 70). Auch ein GA mit eingeschriebenen Senkrechten, deren Köpfe über den oberen Waagerechten reichen, findet sich in Kolon 20. Auch die für die althethitische Zeit typischen Ligaturen von A+NA (Kolon 44) und kat+ta (Kolon 69) sind in Textvertreter B vertreten.
Insgesamt scheint Textvertreter B etwas jünger zu sein, da die eingeschriebenen Senkrechten recht häufig nur knapp über dem oberen waagerechten Keil liegen, während in Textvertreter A die Köpfe deutlich über den oberen Waagerechten hinausragen. Beide Texte schreiben kat+ta und A+NA in Ligaturen, in beiden Fällen sind keine Beispiele von Nicht-Ligatur-Schreibungen belegt. Abweichungen in Schreibungen weisen darauf hin, dass B vermutlich nicht von Text A abgeschrieben wurde (vgl. z.B. A Kolon 10 ši-i-it vs. B Kolon 29 š]i-it; A Kolon 11 pa-ra-a-i[t vs. B Kolon 30 pa-ra-i-it; A Kolon 18 mu-ša-a-an-ti vs. B Kolon 37 m]u-ša-an-ti; A Kolon 82 ḫ]u-ḫu-pa-al-li vs. B Kolon 88 ḫu-ḫu-pa-a-al-li; A Kolon 83 ta-a-pí-[ša- vs. B Kolon 89 DUGka-[; A Kolon 125 ú-um-ma-i-ia-a[l-la vs. B Kolon 113 ú-um-ma-ia-al-*la*).
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Sprachliche Merkmale |
Neben der Paläographie weisen die beiden Haupttextvertreter A und B auch in sprachlicher Hinsicht Merkmale auf, die auf eine ältere Entstehungszeit deuten. Für Textvertreter A (KUB 32.117+) lassen sich dazu u.a. folgende Charakteristika anführen: die Verwendung der althethitischen OBP -apa (z.B. Kolon 38, 69) und -an (z.B. Kolon 41, 70), die Verwendung des enkl.PP der 3.Pl.c. auf -e (z.B. Kolon 43, 45), die Endungen der 1.Pl. auf -wani (z.B. Kolon 50, 51, 66 – neben -weni in z.B. Kolon 52, 53, 54), die Schreibung der 1.Sg. der ḫi-Konjugation auf -ḫé (z.B. Kolon 7, 99; vgl. Formen auf -ḫi in z.B. Kolon 79). Auch Textvertreter B (KBo 25.139+) weist zahlreiche alte Merkmale auf: -apa (z.B. Kolon 45, 62) und -an (z.B. Kolon 52), -e (z.B. Kolon 68), -wani (z.B. Kolon 42) vs. -weni (z.B. Kolon 50, 51, 71), -ḫé (z.B. Kolon 78) vs. -ḫi (z.B. Kolon 72).
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Textüberlieferung |
Die beiden Haupttextvertreter A und B wurden beide im Bereich des Gebäudes A auf Büyükkale gefunden. Das kleine Fragment C (KBo 19.159) stammt aus dem Bereich von Tempel I.
Alle drei Exemplare sind alt- oder mittelhethitisch, es finden sich keine jüngeren Abschriften.
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Intertextualität |
Die Riten des den Mythos umschließenden Rituals sind weitgehend in der 1.Ps.Sg. sowie der 1.Ps.Pl. geschildert. Dies verbindet auch die Texte CTH 752.1 und CTH 752.2. Die Opferungen an die palaischen Götter auf der Rs. III in CTH 752.1 werden in der 3.Sg. aufgelistet, was sich durch den Bericht einer der Ritualausführenden erklären lässt. Wenngleich die Bezeichnung der Ritualausführenden nicht genannt sind, machen der Hinweis MUNUSaraš=miš „meine Gefährtin“ sowie der Vergleich mit anderen Ritualen für palaische Gottheiten es wahrscheinlich, dass zwei ŠU.GI-Ritualexpertinnen die Ausführenden sind. So werden in CTH 751.3 die palaischen Sprüche von einer ŠU.GI-Ritualexpertin rezitiert (siehe CTH 751.3 Kola 35 und 11; vgl. auch die der Verehrung Ziparwas und seiner Götter gewidmeten Abschnitte des AN.DAḪ.ŠUM-Festes (CTH 610) sowie des nuntarriyašḫa-Festes, in denen stets die ŠU.GI-Ritualexpertin die palaischen Reziationen spricht). CTH 753.1 erwähnt zwei ŠU.GI-Ritualexpertinnen, die neben Palastbediensteten an den Ritualhandlungen beteiligt sind.
Neben der palaischen Sprache ist es auch die auf der Rs. III angeführte Beopferung der palaischen Götter in einer festen Reihenfolge, die diesen Text mit den anderen dem palaischen Corpus zugeordneten verbindet. Dabei ist auffällig, dass der palaische oder hethitische Name des Wettergottes, Zaparwa bzw. Ziparwa, hier immer mit dem Heterogramm IŠKUR wiedergegeben ist, das darüber hinaus mit -ni komplementiert ist, so dass man einen Wettergott Tarḫun o.ä. dahinter vermuten dürfte (siehe ebenso CTH 750.1). In der weiteren Reihung werden in vorliegendem Text Kataḫzipuri, Sonnengott, Ilaliyant-Gottheiten, Ḫašammeli genannt, was den anderswo ab der mittelhethitischen Zeit belegten Reihungen der palaischen Götter entspricht (vgl. z.B. CTH 750.1 oder CTH 610).
Weiterhin lassen sich zu anderen Ritualen außerhalb des palaischen Corpus Verbindungen ziehen. An erster Stelle ist der geschilderte palaische Mythos mit hethitischen Mythen der verschwundenen und wiederkehrenden Gottheiten zu vergleichen (Görke S. 2023a). Des Weiteren ist die Verwendung einer 1.Pl. in Ritualen zur Beschreibung der Ritualhandlungen selten (vgl. z.B. die Rituale von Anniwiyanni oder Paškuwatti; siehe dazu Miller J.L. 2004a: 488-492 mit Anm. 853; Görke S. 2020c: 295) und weist auf eine luwische Tradition. Auch der Ritus des Löschens der glühenden Steine mit Wein weist Parallelen in der luwischen Ritualistik auf (siehe Görke S. 2020c: 295-297). Verbindungen lassen sich überdies zu hattischen Ritualen ziehen (Görke S. 2020c: 297).
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Besonderheiten |
In den Abschnitten 4 und 6 werden Riten mit Wasser zu Beginn des zweiten Ritualtages sowie am vierten Ritualtag beschrieben, für die bislang keine Parallelen in der hethitischen Ritualistik gefunden werden konnten. Dabei werden verschiedene Wasser ineinander gegossen, was unterschiedlichen Folgen nach sich zu führen scheint. Die Abschnitte sind schwer verständlich und können bislang nicht vollständig interpretiert werden (vgl. auch Görke S. 2023a: 11f.).
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Inhaltsübersicht |
Abschnitt 1ID=1 | Ritualeinleitung und Auflistung der Ritualzurüstung; beides fragmentarisch |
Abschnitt 2ID=2 | Palaischer Mythos vom verschwundenen (Wetter)gott; Fest des Sonnengottes; Auffinden des Gottes durch Adler |
Abschnitt 3ID=3 | Wohl Ende des palaischen Mythos mit Hinweis auf das Ende des 1. Ritualtages |
Abschnitt 4ID=4 | Beginn des 2. Ritualtages mit Beschreibung von Riten mit verschiedenen Wassern; luwische Rezitation mit Bezug auf Reinigung |
Abschnitt 5ID=5 | Beginn des 3. Ritualtages mit Beschreibung von Riten mit Wasser, Wacholderholz und Steinen; palaische Rezitation |
Abschnitt 6ID=6 | Beginn des 4. Ritualtages mit Beschreibung von Riten mit verschiedenen Wassern, Wacholderholz und Steinen; palaische Rezitation mit Bezug auf Vernichtung eines Fluches |
Abschnitt 7ID=7 | Beschreibung eines Ritualarrangements mit dem Wettergott auf seinem Wagen aus Lehm, Opfertischen mit verschiedenen Opfergaben, darunter muriyala-Broten |
Abschnitt 8ID=8 | Beschreibungen der Opferungen an die palaischen Götter auf einem Altar |
Abschnitt 9ID=9 | Luwisches Lied vom Wachstum | |
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